Das Curriculum in der Nido

Entwicklung der Bewegung

Jedes Kind möchte sich bewegen – zu seiner Zeit, auf seine Art. Daher sollte der Erwachsene auch niemals versuchen, Prozesse zu beschleunigen. So sollte beispielsweise ein Kind, das noch nicht alleine sitzen kann, nicht in die Sitzposition gebracht werden; ein Kind das noch nicht laufen kann, nicht an den Händen geführt werden. Ein Säugling wird also niemals in eine Lage oder Position gebracht, die er sich nicht selbst erarbeitet hat und von sich aus einnehmen oder verlassen kann. Dies fördert seine Autonomie und verhindert eine Abhängigkeit vom Erwachsenen. Die Erfahrung, aus eigener Kraft etwas zu schaffen, gibt dem Kind Selbstvertrauen und stärkt sein Selbstwertgefühl.
Stattdessen wird jedem Kind ausreichend Möglichkeit gegeben, sich zu bewegen. Die  vorbereitete Umgebung ist so eingerichtet, dass das Kind sich innerhalb von Grenzen vollkommen frei bewegen kann.
Dieser Prozess wird unterstützt, indem auch auf die entsprechende Kleidung geachtet wird, die auf keine Weise seine Bewegungen einschränken darf.

Entwicklung der Sprache

Von Anfang an nimmt der Säugling die Sprache ganzheitlich auf. Es ist wichtig, dass die Erwachsenen normal mit ihm sprechen, denn Sprechrhythmus und Intonation werden vom kleinen Kind gemeinsam mit den Lauten und der Bedeutung wie ein Schwamm aufgesaugt. Man hilft dem Kind nicht, in dem ihm „Kindersprache“ angeboten wird; vielmehr unterstützt man das Kind in seiner sprachlichen Entwicklung, indem die Sprache in seiner Umgebung lebt und ganz selbstverständlich verwendet wird. Alle Dinge, denen das Kind begegnet und die es betreffen werden benannt, z.B. bei den Pflegeaktivitäten, beim Tischdecken usw.

Beziehungsvolle Pflege

Nicht nur für die Sprachentwicklung, sondern auch für die Entwicklung der Selbst­wirksamkeit kommt den Pflegesituationen eine besondere Bedeutung zu. Hier erhält das Kind die un­ge­teilte Aufmerksamkeit der Betreuerin und wird von Anfang an, gemäß den Grund­sätzen von Emmi Pikler [1] aktiv und respektvoll in sämtliche Vorgänge mitein­bezogen. Während des Wickelns oder Anziehens wird das Kind auf jeden Schritt vor­bereitet, indem die Betreuerin genau erklärt, was sie als nächstes tun wird und ihm genügend Zeit gibt bzw. seine Reaktion abwartet, damit es sich an der Aktivität beteiligen kann. Die Kommunikation spielt daher gerade in dieser Situation eine ganz beson­dere Rolle.

Entwicklung der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit

So früh wie möglich wird das Kind in alle Tätigkeiten aktiv miteinbezogen. Nach dem Leitsatz von Maria Montessori, „Hilf mir, es selbst zu tun“, wird der Erwachsene bereits beim kleinen Kind keine Arbeit machen, die das Kind selbst leisten kann. Dies ist für Erwachsene manchmal schwer auszuhalten, weil sie bestimmte Dinge selbst viel schneller und effektiver erledigen könnten, doch für das Kind ist es äußerst wichtig zu erfahren: „Das kann ich selbst.“ Diese Chance sollten wir ihm niemals nehmen!

Kontakt mit der Natur: Zeit im Freien

Bereits für Kinder im Säuglings- und Krabbelalter ist der Aufenthalt im Freien wichtig für die gesunde Entwicklung. Die frische Luft wirkt einerseits stimulierend und belebend (das Rascheln des Laubs, das Vogelgezwitscher, der Schmetterling, der vorbeigaukelt) und andererseits beruhigend. Ein Teil der vorbereiteten Umgebung ist daher das Außengelände.  Tägliche Spaziergänge – entweder im Wagen, oder sobald das Kind laufen kann, auch zu Fuß – sind fester Bestandteil des Tagesablaufs.


[1] Vgl. Pikler, Emmi und Tardos, Anna (32001): Laßt mir Zeit: Die selbständige Bewegungsentwicklung des Kindes bis zum freien Gehen. München: Pflaum Verlag.